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Allianz: «Bedeutung der Reiseversicherung wird weiter zunehmen»

Olaf Nink, CEO der Allianz Partners Schweiz, gibt im Interview mit TRAVEL INSIDE einen aktuellen Einblick auf die Lage bei Reiseversicherungen.

Olaf Nink, Sie wollten mit Allianz Partners Schweiz den Turnaround 2020 schaffen. Kurz vorher kam Corona. Wie geht es Allianz Partners heute, haben Sie den Turnaround trotzdem geschafft?
Stimmt, mit diesem Anspruch bin ich Im Sommer 2019 angetreten. Es ist kein Geheimnis, die Zahlen waren nicht gut. Dann kam die Pandemie und wir sind seither ununterbrochen im Krisenmodus. Dennoch haben wir in der Krise den Turnaround geschafft. Das operative Geschäft ist wieder profitabel, ohne die Sondereffekte, etwa die grossen Investitionen im IT-Bereich.

Wie haben Sie das geschafft?
Auch das ist kein Geheimnis: Wir haben uns von Partnerschaften trennen müssen, bei denen wir defizitär waren und es nicht geschafft haben, den Vertrag zu sanieren. Dazu noch ein paar andere, die nicht zur Touristik gehören. Dazu haben wir Kostendisziplin walten lassen, unter anderem sind wir in neue Büros umgezogen – Gott sei Dank mit reduzierten Flächen, die aber auch schon wieder zu gross sind.

Haben Sie Personal reduziert?
Wir haben es uns geleistet, in der Covid-Zeit weder Kurzarbeit noch Entlassungen zu machen. Insgesamt haben wir aber Personal eingespart. Das hat natürlich auch Grenzen, gerade bei der Assistance, und generell an der Kundenfront, braucht man Lokalkolorit mit Leuten, die Schwyzerdütsch reden.

Und wir haben ein hybrides Arbeitsmodell eingeführt, es sind also nie 100% unserer Mitarbeitenden vor Ort. Der Anteil von Home Office liegt in der Bandbreite von 40 bis 60%, je nach Funktion. Und wir haben im ganzen Konzern, in dem wir stärker in einer Matrixorganisation arbeiten wollen, Skaleneffekte erzielt.

Was heisst das?
Wir haben Teams, etwa die Underwriter, die international zusammenarbeiten. Die können alle an einem anderen Ort der Welt sitzen, bilden aber ein homogenes Team. Das heisst auch, wenn der Schweizer Kollege krank ist oder die Kollegin im Mutterschutz ist, gibt es eine Auffangmöglichkeit und Effizienzsteigerung. Gerade für kleinere Ländergesellschaften wie die Schweiz, wo eine Funktion oft nur mit einer Person besetzt ist.

Wir sind in der Gruppe dazu übergegangen, uns in Geschäftsfeldern zu organisieren. Travel ist so ein Geschäftsfeld, mit einem Umsatz jenseits von zwei Milliarden, wo wir Teams zusammengeführt haben und die eine oder andere Stelle – sei es in der Schweiz, in Deutschland, Spanien oder sonstwo – redundant geworden ist.

Zwei grosse Partner in der Schweiz sind weg – sind neue dazu gekommen?
Weniger im klassischen Touristikbereich. In der Corona-Zeit haben wir uns sehr stark auf das nationale Geschäft, Reisen innerhalb der Schweiz, orientiert, nicht nur am Outgoing-Segment. So haben wir einen Vertrag mit Discover Switzerland geschlossen.

Jetzt gerade schauen wir uns den Hotelleriebereich sehr genau an, um da auch entsprechend zu diversifizieren. Neugeschäft haben wir sonst hauptsächlich im internationalen Bereich. Wichtig für uns: Bei unseren bestehenden Partnern haben wir eine Verlängerungsquote von 95%.

Wie läuft das Geschäft jetzt?
Viele Prozesse sind natürlich auch an Buchungsmaschinen gekoppelt, um Skalierungen hinzukriegen. Da ist noch kein signifikanter Push erfolgt. Doch wir profitieren, wie alle in der Touristik, von der Markterholung. Allianz Partners steht beim Umsatz momentan 20% über Vorjahr, obwohl wir uns von zwei Partnern getrennt haben.

Wir partizipieren ganz klar am Nachholeffekt in der Touristik und gehen auch davon aus, dass dieser noch zwei Jahre anhalten wird. Vorbehaltlich natürlich der Konjunkturentwicklung. Und wir sehen auch, das hatten wir bereits in unserer Reise-Studie vorgestellt, dass im Bereich Fernreisen noch eine gewisse Zurückhaltung herrscht. Das erkennen wir an unseren Prämien. Wir sehen aber auch, dass die Wertigkeit der Reisen auch im Warmwasser-Segment deutlich nach oben geht, der durchschnittlich Reisepreis steigt.

Das generiert doch höhere Prämienumsätze – gut fürs Geschäft!
Das ist gut für die touristischen Anbieter, die das fehlende Fernreisen-Segment durch höhere Warenkorbpreis teilweise kompensieren können. Bei uns hat das eher negative Auswirkungen, weil der durchschnittliche Schaden steigt. Bei den Annullierungskosten ist der Reisepreis ausschlaggebend. Wenn der nach oben geht bei einer konstanten Prämie, wie das bei der Jahresversicherung der Fall ist, verschiebt sich das Ganze zu Ungunsten des Versicherers.

Dann sind also Prämienerhöhungen angesagt?
Das ist jetzt sehr vorsichtig ausgedrückt. Ich gehe davon aus, dass die Branche, auch die Kollegen, gezwungen sein wird, dies zu tun. Wir haben neben dem gerade geschilderten Effekt auch noch die Preissteigerungen an den Destinationen. Es sieht ja jeder, der eine Reise bucht, wie viel teurer das Hotel, der Flug und der Mietwagen geworden ist. In der Schweiz reden wir von 3,5% Inflation. In der Touristik aber sind wir allerdings eher bei 8 bis 10%.

Zu tiefe Prämien – das geht zu Lasten der Marge und der Profitabilität?
Unumwunden muss man das so sagen. Wir haben in anderen Ländern, zum Beispiel in Deutschland, andere Pricing-Modelle eingeführt mit so genannten Risk-Based-Pricing-Ansätzen. Das heisst, der Versicherungstarif floatet mit dem Risikoprofil je nach Destination, Dauer der Reise und so weiter. Das ist sehr technologiegetrieben und ich sehe es in der Schweiz noch nicht. Es geht auch nicht bei der Jahresversicherung.

Schaut jetzt jeder Reiseversicherer auf den anderen und der erste der sich zuerst bewegt hat verloren – nämlich Kunden wegen teurerer Prämien?
Das kann schon sein. Wir, mit einem Porfolio von mehr als zwei Milliarden, gehen sehr selbstbewusst an das Thema heran. Ob es teurer werden muss oder es andere Modelle mit differenzierteren Produkten gibt, ist offen. Jedenfalls müssen wir uns damit beschäftigen.

Dann wäre von Allianz Partners ein mutiger Schritt zu erwarten, als erste die Prämien zu erhöhen?
Für mich, aus meiner Warte als Versicherer, ist eine Notwendigkeit aktiv zu werden. In welche Richtung auch immer. Sonst wird die Branche erneut aufschreien und feststellen, die Margen brechen weg.

Die Margen waren ja das grosse Problem von Allianz Partners Schweiz, als Sie angetreten sind. Sie sind ja heute nicht besser.
Das gilt für die ganze Industrie. Touristik ist nicht dafür bekannt, grosse Margen zu erzielen. Und die Reiseversicherer, im klassischen Touristikgeschäft, auch nicht.

Haben Sie von Covid-19 profitiert, indem sich die Leute eher, besser und damit teurer versichern?
Die Bedeutung der Reiseversicherung hat zugenommen und wird weiter zunehmen. Es gibt einen klaren Trend bei Destinationen, eine obligatorische Reiseversicherung für die Einreise zu verlangen. Derzeit sollen es etwa 40 Länder sein. Für den Verbraucher wird es natürlich immer schwieriger, den Überblick zu behalten.

Gut für Sie?
Ich bin ein grosser Verfechter einer Reiseversicherung als obligatorischem Baustein in einer Reise. Zumindest für die Heilungskosten. In der Schweiz sehe ich die Take-Rate nicht, also zu wie vielen Reisen eine Reiseversicherung abgeschlossen wird. In anderen Märkten, wo diese Transparenz herrscht, konnten wir die Take-Rate deutlich steigern. In der Schweiz kann ich es nur vermuten. Die Awareness ist sicher gestiegen.

Was ist bei Allianz Partners derzeit im Fall einer Pandemie gedeckt?
Pandemie ist grundsätzlich ausgeschlossen. Wenn aber ich oder ein naher Angehöriger wegen einer Pandemie krank werde oder in Quarantäne muss, gibt es Bausteine dafür. So genannte Travel Bans sind hingegen nicht gedeckt. Wenn ein Land die Grenze schliesst und der Kunde nicht reisen kann, sehen wir die Verantwortung beim Veranstalter.

Bei uns ist klar, was gedeckt ist und was nicht. Wir halten nicht viel davon, willkürlich mal kulant zu sein und dann mal nicht. Das hat auch der Ombudsman positiv vermerkt. Es ist besser, wenn der Kunde einen Anspruch hat, aber nicht auf den Goodwill des Versicherers angewiesen ist.

Wie verteilen sich die Schadenfälle?
Die Annullationsversicherung ist nach wie vor das Wichtigste, auch beim Prämienvolumen. Wir haben in der Schweiz eine sehr gute gesetzliche Krankenversicherungsversorgung, was in anderen Ländern nicht so ist. Die Bedeutung der Assistance-Leistungen wird darum leider immer noch unterschätzt. Nochmals, ich bin ein Verfechter davor, die Assistance-Versicherung in den Reisepreis zu inkludieren.

Wer hätte was davon?
Es wäre ein Riesenschritt vorwärts. Die Prämie könnte noch günstiger gestaltet werden, weil man nicht mehr die negative Risikoselektion hat. Und jedem, dem auf der Reise etwas passiert, wird geholfen. Es ist ja auch für Reiseleiter unterwegs schwierig, wenn einer aus der Gruppe keine Deckung hat: Was macht er mit dem? Es gibt viele Gründe dafür. Es sicher ein Thema, das wir Versicherer auch mit den Veranstaltern aufnehmen sollten und müssten.

Da ist viel Konjunktiv – passiert da was? Werden Sie einen Runden Tisch zum Thema machen?
In der Krisenzeit hatten wir andere Fokuspunkt. Ich glaube, das ist ein Prozess, den ich ganz bestimmt anstossen werde, mit entsprechenden Diskussionsgrundlagen und -angeboten. Wir müssen zunächst unsere Gedanken dazu sortieren und verstehen, was denn eigentlich aus Veranstaltersicht dagegen sprechen könnte. Vieles ist noch unausgegoren. Wir müssen beispielhaft über Preise nachdenken und deren Auswirkungen auf die Preispsychologie. Das Thema ist schwierig, es geht ja um einen Paradigmenwechsel. Aber es gehört in den nächsten fünf Jahren auf die Tagesordnung. Und es muss am Ende ins Geschäftsmodell unserer Partner passen.

A propos Partner: Wie sieht es jetzt mit den Provisionen aus, stagnieren die oder gibt es Bewegung?
Eine never ending story. Am Ende ist es ein Dreiklang: Wenn ich meine Verkaufspreise nicht erhöhen kann, gleichzeitig der Schaden steigt, bleibt auf der Provisionsseite nicht viel Luft. Ich sag’s mal so: Die Provisionszahlungen, so wie sie jetzt sind, sind stabil. Ich sehe keine grossen Ausreisser oder Potenziale nach oben – und auch nicht nach unten. Wenn ein immer grösserer Anteil der Prämien für Provisionen weggehen, wird das aus Verbrauchersicht kritisch betrachtet und kann auch zu aufsichtsrechtlichen Problemen führen. Wenn höhere Provisionsforderungen von anderen erfüllt werden, werden wir nicht mitspielen.

Wo steht Allianz Partners punkto Marktanteil?
Das ist schwierig und gleichzeitig relativ zu sagen. Im Touristiksegment gibt es drei grosse Anbieter, von denen haben wir einen. Aus den Anteilen der drei Player lässt sich das ungefähr ableiten.

Wie stark sind die Haushaltversicherungen, die auch allerlei Reisebausteine anbieten, eine Konkurrenz zu den Reiseversicherern?
Ich glaube, die haben durch Corona eine gewisse Aufwertung erfahren. Viele hatten ja die grosszügige Pandemie-Deckung noch drin – zumindest am Anfang, inzwischen haben sie alle gestrichen. Meine Einschätzung daraus ist, dass für sie Reisen kein strategisches Geschäftsfeld ist. Da geht schon was hin. Aber im spezifischen Segment Touristik spielen sie keine Rolle.

Ich glaube ohnehin mehr an die Produkt-accessorische Versicherung, die man spezifisch zu einem Produkt verkauft, also Reiseversicherung zur Reise, Autoversicherung zum Auto, Handy-Versicherung zum Handy und so weiter. Viele Haushaltversicherungen greifen für ihre Reisebausteine wiederum auf die Reiseversicherungsspezialisten innerhalb der Konzerne zurück.

Wie sieht es an der Verkaufsfront aus, bauen Sie da aus?
Das Reisebürogeschäft wollen wir weiter aufbauen. Aber nicht mit der klassischen Methode, jeden Tag klopft einer an die Türe, stört und steht im Weg. Grundsätzlich werden wir nicht einen Aussendienst im grossen Stil aufbauen. Für uns geht es darum, jederzeit Ansprechpartner vor Ort zu haben. Und wir vereinfachen die Buchungsprozesse. Dazu werden unsere Produkte noch einfacher gestalten. Vielleicht haben wir auch immer noch zu viele Produkte im Regal, da müssen wir noch aufräumen. Die Reiseversicherungen sind eigentlich ein einfaches Thema. Wir haben es in der Vergangenheit etwas verkompliziert.

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