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Pauschalreiserichtlinie: Was das EuGH-Urteil für Veranstalter bedeutet

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, die Corona-Maßnahmen am Urlaubsort als mögliche Vertragswidrigkeit einordnet, könnte für Veranstalter künftig weitreichende Folgen haben. Fachverbands-Referent Daniel Frings ist mit der Materie gut vertraut.

Den Anstoß gab eine Klage zweier Spanien-Urlauber beim Landgericht München. Sie hatten im März 2020 einen zweiwöchigen Urlaub in Gran Canaria angetreten. Zwei Tage nach ihrer Ankunft wurden strenge Corona-Maßnahmen verhängt. Der Zugang zu Strand, Pool und Liegen wurde untersagt, das Unterhaltungsprogramm eingestellt, eine Ausgangssperre wurde ausgerufen und die Reisenden durften ihr Hotelzimmer nur noch zum Essengehen verlassen. Schließlich wurde der Rückflug um sieben Tage vorverlegt, der Aufenthalt also auf die Hälfte reduziert.

Corona-Maßnahmen als Vertragswidrigkeit

Die Urlauber wollten daraufhin nur noch 30% des Gesamtpreises zahlen, was der Reiseveranstalter allerdings verweigerte mit dem Hinweis, dass er nicht „für ein allgemeines Lebensrisiko“ einstehen müsse. Zum Zeitpunkt des Urlaubs hatte es am Heimatort der Kläger ähnlich restriktive Corona-Maßnahmen gegeben. Das Landgericht München, bei dem die Klage eingereicht wurde, bat den EuGH um Auslegung der Pauschalreiserichtlinie. Diese sieht bekanntlich vor, dass bei einer Vertragswidrigkeit Urlauber Anspruch auf Preisminderung haben. Der EuGH entschied nun, dass dieser Passus auch bei Einschränkungen durch Corona-Maßnahmen zur Anwendung kommen müsse, auch wenn diese wegen einer weltweiten Pandemie in vielen Ländern angeordnet wurden. Jetzt geht der Fall wieder zurück an das Münchner Landgericht, das eine Entscheidung über die Höhe der Preisminderung fällen muss.

Welche Konsequenzen sich aus dem Urteil künftig für Reiseveranstalter ergeben könnten, erklärt Daniel Frings, Referent im Fachverband der Reisebüros der WKO.

Fragen & Antworten

Bisher mussten Pauschalreiseveranstalter für „ein allgemeines Lebensrisiko“ nicht haften – hat sich das mit dem Urteil des EuGH geändert?
Daniel Frings: Der EuGH hat sich in seinem Urteil streng am Wortlaut der Pauschalreiserichtlinie orientiert, wonach der Reiseveranstalter im Rahmen der Gewährleistung nur dann nicht haftet, wenn er nachweist, dass die Vertragswidrigkeit dem Reisenden zuzurechnen ist. Das allgemeine Lebensrisiko entfaltet in diesem Zusammenhang also keine haftungsbegrenzende Wirkung.

Unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände konnten Reiseveranstalter hingegen auch schon in der Vergangenheit bei gewährleistungsrechtlichen Ansprüchen nicht einwenden, da die Gewährleistung verschuldensunabhängig ist. So musste beispielsweise auch bei der Tsunami-Katastrophe 2004 Preisminderung gewährt werden.

Heißt das im Umkehrschluss, der Pauschalreiseveranstalter haftet für alle Unannehmlichkeiten, außer er kann nachweisen, dass sie selbstverschuldet vom Kunden verursacht wurden?
Daniel Frings: Es muss sich nach wie vor um eine Vertragswidrigkeit handeln, wobei bloße Unannehmlichkeiten, wie beispielsweise Turbulenzen während eines Fluges oder geringfügige Verspätungen laut bisheriger Judikatur keine Vertragswidrigkeit darstellen. Im Bereich der Gewährleistung bleibt – wie vom EuGH in seinem aktuellen Urteil festgehalten – dem Reiseveranstalter darüber hinaus der Nachweis offen, dass die Vertragswidrigkeit dem Reisenden zuzurechnen ist.

Da sich der EuGH in seinem Urteil nur der verschuldensunabhängigen Gewährleistung gewidmet hat, verbleibt im Bereich des verschuldensabhängigen Schadenersatzes des Weiteren das allgemeine Lebensrisiko ein haftungsbegrenzendes Element. Die Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie orientiert sich am ständig erweiterten Verbraucherschutz. Hat der EuGH mit seinem Urteil Ihrer Meinung nach über das Ziel geschossen? Daniel Frings: Natürlich wäre es in einer Situation, in der weltweit der Tourismus stillsteht und in der Reisende auch in ihrem Heimatland mit umfassenden Beschränkungen konfrontiert waren, wichtig gewesen, mehr Augenmaß an den Tag zu legen.

Wie können sich Pauschalreiseveranstalter in Zukunft absichern?
Daniel Frings: Da der EuGH festhält, dass der Reiseveranstalter nicht verpflichtet ist, Leistungen auszugleichen, zu deren Erbringung er sich nicht verpflichtet hat, wird es auch in Zukunft wichtig sein, den Leistungsumfang möglichst genau zu definieren.

Sehen Sie eine Chance, dass Ausnahmesituationen wie eine Pandemie in der überarbeiteten Pauschalreiserichtlinie berücksichtigt werden?
Daniel Frings: Derzeit läuft auf europäischer Ebene bezüglich der Pauschalreiserichtlinie ein Evaluierungsprozess. Der Fachverband hat sich hier bereits mehrfach – auch gemeinsam mit dem europäischen Reisebüroverband ECTAA – eingebracht und auf Verbesserungen für Reiseveranstalter gepocht. Auf Kommissionsebene ist die Pauschalreiserichtlinie, anders als beispielsweise die Fluggastrechteverordnung, beim Konsumentenschutz angesiedelt. Somit stehen naturgemäß Verbesserungen für Konsumenten im Fokus der EU-Kommission.

In der Reisebranche wird befürchtet, dass die Pauschalreise durch die verschärften Auflagen irgendwann nicht mehr wirtschaftlich darstellbar sein wird. Wie lässt sich das verhindern?
Daniel Frings: Steigende Kosten und potenzielle Risiken müssen natürlich eingepreist werden. Die aktuelle Entscheidung wird aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass Pauschalreisen wirtschaftlich überhaupt nicht mehr darstellbar sind. Das erhöhte Risiko muss in den Reisepreis einkalkuliert werden.

D.h., die Reisen werden teurer. Ist das im Sinne der Verbraucher?
Daniel Frings: Das ist natürlich eine berechtigte Frage. Als Fachverband ist es uns wichtig, in Diskussionen und Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern darauf hinzuweisen, dass sich die Übernahme von Risiken durch den Reiseveranstalter auch im Preis von Reisen niederschlägt.

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