Wer haftet bei einem Flugunfall?
Rechtsanwalt Rolf Metz erklĂ€rt, wer bei FlugunfĂ€llen und AusflĂŒgen haftet und wieso man Bordkarten und Kofferetiketten nie am Flughafen entsorgen sollte.
1. Flugunfall â Haftung (Urteil)
Am 8. Januar 2020 wurde der Flug Nummer PS752 der Ukraine International Airlines von zwei Boden-Luftraketen getroffen und stĂŒrzte ab. Alle Passagiere und Besatzungsmitglieder wurden getötet. Dies geschah beim Imam Khomeini International Airport in Teheran.
Zur Haftung der Fluggesellschaft hat nun der kanadische «Court of Appeal for Ontario» am 11. August 2025 ein Urteil gefÀllt.
Weshalb ist dies fĂŒr Reiseveranstalter und ReisebĂŒros wichtig? Wegen der Haftung!
Viele ReisebĂŒros und Reiseveranstalter wiegen sich bei Flugreisen in falscher Sicherheit. Bei Flugpauschalreisen ist der Reiseveranstalter vertraglicher LuftfrachtfĂŒhrer und haftet solidarisch mit der Fluggesellschaft fĂŒr UnfĂ€lle usw. Er hat mit anderen Worten auch auszubaden, was die Fluggesellschaft einbrockt (das ist solidarisch). Und wie weit das gehen kann, zeigt dieses Urteil auf.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die «EU Air Safety List» verwiesen, die dort aufgefĂŒhrten Fluggesellschaften sind wegen SicherheitsmĂ€ngel oder fehlender Ăberwachung gelistet.
Die Frage, welche sich dem Gericht stellte: Ist die Fluggesellschaft fĂŒr den Abschuss des Flugzeuges verantwortlich?
Es handelte sich um einen internationalen Flug, der dem Montrealer Ăbereinkommen unterstand. Das Montrealer Ăbereinkommen sieht eine strenge Haftung vor. Eine Haftungsbefreiung kommt nur in Frage, wenn der Passagier selbst die Ursache gesetzt hat.
Ist der Schaden sehr gross, kann sich die Fluggesellschaft von der Haftung teilweise befreien, wenn sie nachweist, dass sie kein Verschulden trifft resp. der Schaden ausschliesslich von Dritten verursacht worden ist. «Kein Verschulden» bedeutet in diesem Fall, die notwendige Sorgfalt bei der Planung des Fluges aufgewendet zu haben.
NatĂŒrlich haftet die Fluggesellschaft grundsĂ€tzlich nicht fĂŒr Terroristen, Handlungen fremder Staaten usw. Doch die Frage stellte sich, durfte Ukraine International Airlines bei der besonderen Lage, am Morgen hatte der Iran ĂŒber Stunden ballistische Raketen auf US-Truppen im Irak abgefeuert, ĂŒberhaupt den Flug durchfĂŒhren?
Das Gericht analysierte den gesamten Flugbetrieb vor dem Start der ukrainischen Maschine sehr genau, auch welche Informationen von der Fluggesellschaft eingeholt worden waren, deren internen Kommunikationsfluss usw. Das Gericht kam dann zum Schluss, dass Ukraine International Airlines nicht nachweisen konnte, die notwendige Sorgfalt aufgewendet zu haben, sodass sie fĂŒr sĂ€mtliche PersonenschĂ€den unbegrenzt haftet.
Das Urteil zeigt, dass es nicht nur auf den Flug selbst, sondern auch auf dessen Vorbereitung ankommt. Die EU-No-Fly-Liste lĂ€sst grĂŒssen (Wartungsarbeiten, Sicherheitsstandards usw.).
FĂŒr einen Veranstalter wĂŒrde der Satz gelten: «Mitgegangen mitgehangen.»
2. Sport und AusflĂŒge, Haftung fĂŒr Bike-Guide (Urteil)
Sport- und Aktivferien sind âinâ. Und bei Sport besteht ein erhöhtes Lebensrisiko, UnfĂ€lle sind immer möglich. Nun, wer haftet bei einem Fahrradunfall auf einer «Heavy-Cycling-Tour»? Dies musste das Landgericht von Frankfurt am Main beantworten.
Ein Hotel veranstaltete eine «Bike- und Sportmixwoche» und trat als Reiseveranstalterin auf. Der KlĂ€ger nahm an einer gefĂŒhrten «Heavy-Cycling-Tour» teil, verunfallte und musste mit dem Helikopter ins Spital geflogen werden. Was war geschehen?
Die Tourguides mussten wĂ€hrend der Tour die Strecke Ă€ndern, war doch auf dem vorgesehen Weg noch Schnee. So nahm man einen Wanderweg. Der war aber teilweise nicht befahrbar und die RĂ€der mussten geschoben werden, dabei stĂŒrzte der KlĂ€ger und musste hospitalisiert werden.
Das Gericht bejahte die Haftbarkeit des Hotels. Der vorsitzende Richter fĂŒhrt dazu aus: «Die Bike-Guides haben im gefahrtrĂ€chtigen, alpinen GelĂ€nde einen Weg gewĂ€hlt, dessen Beschaffenheit und Schwierigkeitsgrad sie nicht kannten und der höhere Anforderungen an die Teilnehmer gestellt hat, als dies bei der eigentlich gebuchten Bike-Tour der Falls gewesen wĂ€re».
Das ist fĂŒr alle Aktivferien-Anbieter (Wandern, Trekken, Radfahren, Tauchen usw.), Veranstalter von Meditationsreisen mit Wanderungen, z.B. Tibet, Gleitschirmfliegen usw. von besonderer Bedeutung: Man muss bei der Ausschreibung die Voraussetzungen und Belastungen usw. genau angeben, damit die Interessenten sich ein Bild machen können, ob sie die Teilnahmebedingungen erfĂŒllen.
Und Leistungs- sowie ProgrammĂ€nderungen dĂŒrfen sich nur im Rahmen der publizierten Anforderungen bewegen. Eine âVerschĂ€rfungâ wĂ€hrend der AktivitĂ€t ist nicht möglich.
3. Bordkarte und Kofferetikett wegschmeissen?
Fachleute raten davon ab, Bordkarte und Kofferetikett in einen öffentlichen MĂŒlleimer zu werfen.
Auf Bordkarten sind neben Name und Buchungscode im Strichcode weitere Informationen enthalten, welche Kriminellen wichtige Informationen liefern. Mit diesen Angaben kann man, so aerotelegraph.com, auf die Buchung zugreifen, dann werden weitere persönliche Daten sichtbar. Problemlos könnte man auch FlĂŒge annullieren oder umbuchen.
Ăhnlich verhĂ€lt es sich mit dem Kofferetikett. Listige Finder könnten versuchen, den Koffer als verloren zu melden, um dann das Geld kassieren zu können. Das sei nicht so einfach, sagt eine Sprecherin von Swissport, da Fluggesellschaften in der Regel zusĂ€tzliche Informationen verlangten. Doch auch sie rĂ€t dazu, Kofferetikett erst zu Hause zu entsorgen.
Und auf dem Kofferetikett sollten nur die notwendigsten Informationen stehen (Vor- und Nachname sowie Telefonnummer, damit die Fluggesellschaft den Passagier kontaktieren kann). Jedoch nicht die Wohnadresse, Passnummer oder andere persönliche Angaben. Diese könnten zu einem IdentitĂ€tsdiebstahl fĂŒhren.
Quelle: https://abouttravel.ch/reisebranche/wer-haftet-bei-einem-flugunfall/